Rückblick auf das Barcamp Hamburg - Auch mit einem weinenden Auge
Ich bin inzwischen zurück vom Barcamp Hamburg 6 und möchte euch kurz meine persönlichen Eindrücke und Meinungen dazu schildern. Und auch als "bittere Pille" beschreiben, warum sich das #bchh12 für mich nicht nach Barcamp angefühlt hat. Vorab aber erst mal ein großes Danke an das Orga-Team mit Dennis, Vivian, Ilka und Volker sowie an die Sponsoren. Es war übrigens nach meinem zweiten Barcamp 2007 in Hamburg das Ende einer langen Auszeit für die Hamburger Barcamps für mich.
Da ich am Donnerstag Abend noch ein Sharing in Stuttgart geleitet habe hatte ich mir für Freitag früh einen Flieger rausgesucht. Dadurch dachte ich, zu spät zu kommen, weil ich erst um kurz nach 10 Uhr in der Location bei Otto eintraf. Ich hatte daher am Vortag Romy instruiert, dass sie bitte meine Session "Wir brauchen mehr Barcamps" mit bei der Sessionplanung vorstellt. Allerdings ging das Barcamp deutlich später los, als andere und so war ich rechtzeitig da. Ich stellte meine Session mit als erstes vor um danach mit Torsten und Romy den Timetabler mit den Sessions zu befüllen.
Was mich hier stark irritiert hat: Wir hatten "nur" 10 Räume auf 400 angemeldete Teilnehmer und bekommen es dennoch nicht hin, alle Sessionslots zu füllen? Und bei Otto, dem Location-Sponsor, hätte es noch deutlich mehr Räume gegeben. Leute! Was war da los? Ein Barcamp lebt davon, dass wir alle Wissen miteinander teilen - und dazu darf und soll sich jeder auch mit Sessions einbringen. Was cool war, war der QR-Code an der Session-Wall zu dieser Timetabler-URL. Das wird es bei meinem Camps in Zukunft auch geben!
Mit den Sessions ging es dann leider erst um 12 Uhr los. Ich startete mit "Neues fluides, vernetzes Arbeiten und Innovation in klassisch hierarchischen Organisationen" von Moritz. Hier gab es für mich ein paar spannende neue Einblicke was bei einigen Unternehmen mehr oder weniger gut funktioniert. Ich habe ein paar Erfahrungen aus meinem Kreis beigesteuert. Der Grundtenor war aber der, dass gerade bei großen Unternehmen der Umstieg auf neue und offene Arbeitsmethoden eher schwer umsetzbar ist.
Anschließend habe ich mir Romys Session über ihre Bloggertour nach Kanada angehört. Neben schönen Bildern hatte sie auch Auszüge aus dem Blogger-Briefing (sehr professionell) und der Tour dabei. Ihr Blogposts dazu findet ihr u.a. hier und hier. Ich bin hier noch immer etwas zwiegespalten: Es war eine super Tour aber ich finde man sollte uns Blogger mehr Freiraum und Ruhe auf solchen Touren gönnen. Das ist auch meine persönliche Erfahrung von Santorin und Kreta. Man kann natürlich nur "professionelle Blogger" einladen, die damit ihr Geld verdienen und für die das weniger Urlaub denn Arbeit ist. Aber ist das der Sinn von Social-Media-Kommunikation? Wollen wir da die "richtigen Journalisten", die "nur" ein neues Medium bedienen oder wollen wir auch "normale Blogger"?
Dann habe ich eine Session lang ausgesetzt um in Ruhe Mittag zu Essen. Anscheinend wurde ich in der Zeit bei einer Session als Teilnehmer vermisst. Sorry, Leute: Wenn du mich dabei haben willst, frag mich bitte und geh nicht davon aus, dass ich da selbstverständlich mit dabei bin. Danke! (In dem Fall hatten wir einfach schon eine ähnliche Session in Stuttgart und ich brauchte eine Pause vor meiner eigenen Session nachdem ich seit 5 Uhr auf den Beinen war.)
Im Anschluss folgte dann meine Session Wir brauchen mehr Barcamps. Ich habe ein paar Gedanken über firmeninterne Barcamps, solche bei Verbänden und im wissenschaftlichen Umfeld vorgebracht und auch, dass wir aus meiner Sicht mehr Themencamps haben sollten. Wir hatten dann eine gute Diskussion, die ich im Detail hier nicht wiedergeben möchte. Schön fand ich aber die Fragestellung aus der ersten Session, wie man denn nach so einem Camp die weitere Vernetzung von Teilnehmern (ob nun bei einem öffentlichen oder internen Barcamp) weiter fördern könne. Mehr dazu als Mitschrieb einer ähnlichen Session vom lifeworkcamp und als Folien bei SlideShare.
Nach einer weiteren Pause, die ich zum Plaudern mit anderen Teilnehmern nutzte, folgte dann als letzte Session Die schlimmsten Recruiting-Videos mit peinlichen Bewerber-Raps von Firmen und nicht weniger peinlichen Videos von Bewerbern, die Jürgen und Jörn zusammengestellt hatten. Ein entspannter und lustiger Sessionausklang.
Abends folgte eine unterhaltsame Runde "Herzblatt" auf der großen Bühne, dass von den Moderatorinnen, Technik und Teilnehmern ganz großartig umgesetzt wurde. Nach dem für mich langen Tag verschwand ich dann abends recht zügig in den Feierabend.
Am zweiten Tag ging es morgens leider wieder recht spät los. Dennoch waren zur Sessionplanung gerade mal die Hälfte der angemeldeten Teilnehmer anwesend. Leute: Das geht nicht! Eine No-Show-Rate von um die 20% weil ernsthafte Dinge passieren - ok. Aber die Hälfte?
Kommen wir mal zu den Sessions vom zweiten Tag: Durch die späte Planung entfiel für mich - wie für die meisten anderen - der 11-Uhr-Slot. Auch wenn dieser auf 11:15 Uhr verlegt wurde, war ich doch noch mit der finalen Erfassung der Sessions zu Gange. Los ging es dann für mich mit einer Session von Romy über WTF is Rotation Curation, also Twitter-Accounts, die einmal pro Woche (oder auch täglich) den Autor wechseln. Aus ihren Erfahrungen mit @WeareHH kann ich einige Sachen mitnehmen, denn so einen Account sollten wir für Stuttgart doch auch mal einführen, oder?
Nach dem Essen habe ich das Ende der POS online möglich-Session von Stefan Vorbeck (no Twitter, no Link ;-) mitgenommen und mich da noch kurz in die Diskussion eingemischt. Anschließend folgte in dem Raum nämlich meine Session Wer bin ich? Selbstfindung statt sich selbst im Weg rumstehen. Dazu habe ich zum lifeworkcamp schon mal eine Zusammenfassung und Vertiefung geschrieben.Im Anschluss war ich dann in ein Gespräch mit zwei Lightwerk-Mitarbeitern (die auch gesponsert haben) vertieft so dass es bei den Sessions für mich am Samstag blieb.
Soviel zum Inhalt. Und jetzt kommt die bittere Pille für euch da draußen: Sorry, aber ich habe mich auf dem Hamburger Barcamp nicht so wohl gefühlt. Genau genommen hatte ich mir überlegt, ob ich am zweiten Tag überhaupt kommen soll. Aber das macht man eben nicht, also war ich an beiden Tagen dabei. Die folgenden Punkte, haben aus meiner Sicht keine "echte Barcamp-Stimmung" aufkommen lassen:
- Ich hatte hier eher den Eindruck eines Klassentreffens als eines Wissenaustauschs. Viele schienen nur da zu sein um das "Sehen und Gesehen werden"-Spiel zu spielen. Dafür brauchen wir keine Barcamps, dass Spiel könnt ihr auf jedem anderen Event genau so spielen...
- Die No-Show-Rate unterstützt den Eindruck noch: Kein Event zu dem man um dessen Willen und Gelingen geht, sondern man macht es für sein Ego. Und wenn man dann kurzfristig keine Lust hat, kommt man eben nicht. Hallo?
- Obwohl wir extrem spät angefangen haben, kamen immer noch etliche Leute deutlich später. Auch hier kann es wichtige Gründe geben, aber in der Menge (vor allem am Samstag) ist dass für mich eine Missachtung des Events, der Organisatoren und Sponsoren.
- Barcamps bedeutet auch, so viele Sessions wie möglich anzubieten. Jeder(!) sollte weitergeben, was er zu sagen hat! Der Idealzustand sind daher zu wenig (dann improvisiert man neue Räume) und nicht zu viele ungenutzte Sessionslots.
- Eine Vorstellungsrunde ist für Barcamps aus meiner Sicht ein ganz wesentliches Element. Das wurde ja auch in der Abschluss-Session besprochen. Und ich kann das absolut nicht nachvollziehen, wie sich eine so deutliche Mehrheit dagegen aussprechen kann. Wer von all jenen, war schon mal bei einem anderen Barcamp und hat die Stimmung dort erlebt? Ich glaube, dass die Vorstellungsrunde hier ein wichtiges Element ist.
Also ganz klar keine Frage der Organisation sondern der Teilnehmer. (Und da klar auch nicht von allen.) Das soll auch keine Anklage sein sondern ein offenes und ehrliches Wort, wie ich das Barcamp Hamburg 6 erlebt habe. Wenn es dafür in Hamburg das passende Publikum gibt - ok. Aber meine Sache (und ich denke da spreche ich auch für andere alte Barcamp-Hasen) ist es dann nicht.
Ich weiß nicht, ob das - wie ich vermute - am regionalen Hamburger Publikum liegt. Mein Eindruck war, dass das Orga-Team sich hier der Situation in Hamburg angepasst hat und das finde ich extrem schade, weil das Barcamp dadurch aus meiner Sicht an Tiefe und Qualität verliert.
Auch wenn das erst mal nichts mit dem Orga-Team zu tun hat, könnt ihr aus meiner Sicht gegensteueren. Folgendes würde ich anders machen: 1. Früher anfangen und das auch klar durchziehen. Wer zu spät kommt, kommt eben zu spät. 2. Eine Vorstellungsrunde einführen. 3. Etwas mehr Slots anbieten und so lange auf der Bühne stehen bleiben und sagen "Hey, dass kann nicht sein, dass das alles an Sessions ist!" bis das Session-Board voll ist. 4. Erwägen, dass Event Baramp-typisch Samstag/Sonntag anzubieten - auch das zieht auch anderes Publikum an. 5. Das Catering deutlich vereinfachen und vor allem ohne "Aufräum"-Service. Ersteres weil es bei den No-Show-Raten einfach ärgerlich ist, so viel wegschmeißen zu müssen, und Zweiteres um hier der Ich-werde-ja-Bedient-Mentalität entgegenzuwirken. (Ich bin ja sonst sehr für Essensqualität, aber in dem Fall… Man kann es ja im Folgejahr wieder hochfahren, wenn sich vor allem die No-Show-Rate positiv entwickelt.) Generell würde ich mehr einen klaren Kurs vorgeben. Auch wenn Barcamps ein Event von Teilnehmern für Teilnehmer ist, scheint es einen Kapitän mit einem klaren Kurs am Steuer zu brauchen.
Abschließend bleibt mir zu sagen, dass ich die Location gut finde auch wenn es etwas außerhalb ist. Es braucht auch keine größere für noch mehr Teilnehmer. Gerade wenn es Abends noch mehr Programm gäbe, würden die Teilnehmer vielleicht eher zusammenbleiben. Und vielleicht einfach mehr kleine Räume öffnen (siehe oben). Das Essen war ziemlich gut, am ersten Tag fand ich es besser als am zweiten. Orga-Kleinigkeiten waren die Lüftung in den kleinen Räumen und das man die Sessions auf 45 Minuten ansetzen sollte. (Das animiert weniger zum Überziehen und 15 Minuten Pause reicht denke ich auch.)
Und abschließend noch ein paar weitere, bislang noch unerwähnte Sponsoren: Conrad Caine, RADIO4SEO (da gibt es übrigens ein Interview mit mir in der aktuellen Folge), eResult, PureTea und eTracker.
Nächstes Jahr schaue ich sicherlich dennoch wieder vorbei um zu schauen, ob sich das Stimmungsbild gewandelt hat bzw. wandelt.
Geschrieben von Jan Theofel am 5.11.2012 um 9:45 Uhr (Permalink)
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