Die "Dr. h.c. Eva Ihnenfeldt Affaire", die vielleicht gar keine ist
Ich versteh die Welt, wie sie Eva Ihnenfeldt gerade darstellt oder Social-Media-Menschen und Journalisten darstellen lässt, nur noch sehr bedingt. Um nicht zu sagen, ich schüttele den Kopf darüber. Für mich ist da nichts anderes als ein Pseudo-Shitstorm gegen unsere Justiz. Ein aus der Ich-fühle-mich-ungerecht-behandelt-Mücke einen Ich-bin-Opfer-eines-tragischen-Justizirrtums-Elefanten machen. Natürlich kein ganz uneigennütziger - wie ich gleich noch ausführen werde.
Aber für all jene, die es nicht mitbekommen haben: Was ist passiert? Am Mittwoch haben zwei Gruppen je vier Polizisten die Büros und die Wohnung von Eva Ihnenfeldt (wir kennen uns übrigens, ich meine von einem Barcamp) durchsucht. Wegen eines Scherz-Doktortitels „Dr. h.c. Ministry (USA)“, den sie zu ihrem letzten Geburtstag selbst gegönnt und darüber gebloggt hat. Und nun im Verdacht steht gegen § 132a StGB „Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen“ verstoßen zu haben. Bestraft würde dies mit einerGeldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis - es möge sich jeder selbst ein Bild von der Verhältniskeit machen.
Wie sie selbst schreibt, verhelfen ihr ihre Social-Media-Kontakte schnell zu Presseartikeln zu diesem Fall. Freunde helfen Freunden - das soll ja auch so sein. Das Ergebnis ist aber aus meiner Sicht sehr fragwürdig.
Soweit ich das richtig sehe, ist „Hausdurchsuchungen wegen Blog-Beitrag“ bei den Ruhrnachrichten die erste Erwähnung in der Presse. Nur stimmt überhaupt, was hier im Titel steht? Eine Hausdurchsuchung weil ein Richter den oben verlinkten Blogpost falsch verstanden hat? Die Antwort gibt der Artikel eigentlich selbst: „Für die Staatsanwaltschaft Lübeck hat sich die Durchsuchung bei der Geschäftsführerin aus einem zweiten Verfahren mit insgesamt 60 Beschuldigten ergeben.“ Also: Nein die Ermittlung resultierte aus einem anderen Verfahren. Der Blogpost ist dabei also ein Puzzlesteinchen dabei - aber wohl nicht der Auslöser.
Und das wohl eher, weil sie darin leicht googelbar zugibt, einen solchen Titel gekauft zu haben. Und auch wenn das als Scherz beschrieben ist - ein Scherz macht aus einer Straftat nicht plötzlich eine zulässige Handlung. Wenn ich in meinem Blog darüber scherzen würde, dass ich ein Heft am Bahnhofskiosk geklaut hätte, müsste ich wohl auch mit einem Besuch der Polizei bei mir rechnen.
Weiter steht in dem Artikel: "Hinter der Durchsuchung ihrer Wohnung und Büroräume vermutete Eva Ihnenfeldt einen Racheakt von prominenten Ehrendoktoren, die sie in ihrem Blog erwähnt hatte. „Will man mich als fröhliche Bloggerin zurechtweisen und ein wenig einschüchtern?“" Das klingt in meinen Ohren mehr als absurd - vor allem wenn man weiß, dass es zahlreiche Ermittlungsfälle sind. Wenn sie das so wirklich gesagt bzw. das so freigegeben hat, könnten die Herren Dr. h.c. Wolfgang Thierse, Dr. h.c. Joachim Gauck und Dr. h.c. Carsten Maschmeyer nun wirklich rechtliche Schritte einleiten. Als Laie fällt mir dazu spontan der Begriff Verleumdung ein. Das trifft es vermutlich nicht ganz, aber einen Anfangsverdacht könnte man hier sicherlich konstruieren, oder? Also bitte nicht beschweren, falls das tatsächlich als nächstes passieren sollte. Hier droht maximal bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe - nur mal so zum Vergleich.
Viel mehr könnte man sich die Frage stellen, ob die Ermittlung nicht völlig legitim ist. Denn in dem Artikel erfahren wir auch, dass die Urkunde mit der gekauften Ehrendoktorwürde in ihrem Büro aufgehängt war. Nun ist es in der Regel so, dass man so etwas dann auch als Besucher sehen kann. Das es nur von den Menschen erblickt werden kann, die wissen, dass das ein Scherz-Doktor-Titel ist, ist eher unwahrscheinlich. Und das es dabei zu Verwechslungen mit einer echten Urkunde kommen kann wahrscheinlich. Und „zum Verwechseln ähnlich“ ist in § 132a explizit aufgeführt. Auch wenn ich kein Jurist bin: Das könnte hier zutreffen.
Bleibt die Frage, ob die Räume eines Bloggers ebenso schützenswert sind, wie die eines klassischen Journalisten. Denn auch das prangern die Artikel an. Auch ich habe einen Presseausweis als Blogger. Aber ich sage für mich klar, dass mir ein solcher Schutz nicht zusteht. Alles, worüber ich schreibe, ist öffentlich. All meine Quellen auch. Besonders schützenswerte Informationen oder gar Informanten haben wohl die wenigsten Blogger. Und wo kämen wir da hin, wenn jeder Kriminelle sich mal schnell ein Blog aufsetzt und damit eine Hausdurchsuchung bei sich verhindern kann? Ich kann nicht beurteilen, wie weit in diesem Fall die journalistische Tätigkeit geht (zumindest bildet sich ja Journalisten aus bzw. um), aber ich wäre hier mit Schutzforderungen zumindest etwas vorsichtiger.
Was bleibt also unterm Strich? Eine sich ahnungslos gebende Eva Ihnenfeldt mit gekauftem Titel? Nun, sie hätte wohl wissen müssen, was da rechtlich auf sie zukommen kann: „Eva Ihnenfeldt, die mit zwei Kollegen einen wöchentlichen Newsletter herausgibt, hatte genau zum Thema Titelkauf recherchiert.“ heißt es in dem Artikel zur Vorgeschichte. Da hängt man so eine Urkunde dann vielleicht doch besser nicht im eigenen Büro auf, oder?
Bleibt noch das unvorteilhafte Foto für die Ermittlungsakten. Das können ein paar Ermittler einsehen. Und nach dem hausgemachten Wirbel: Wäre ich einer davon, würde ich die Chance ergreifen... Nicht schön, aber ich würde annehmen, dass die meisten Fotos der Polizei von Verdächtigen nicht denen im Fotostudio gleichen. Also aus meiner Sicht auch kein besonderer Aufreger.
Was bleibt also wirklich? Viel mehr nutzt sie in meinen Augen die Chance - und das macht sie gut - sich geschickt in Social-Media und den klassischen Medien zu platzieren. PR nennen das die einen, Linkbait die SEOs. Dabei wird nämlich nicht nur über den Fall berichtet, sondern auch immer brav über sie. Dieser Text könnte auch von einem Werbetexter stammen: „Ihnenfeldt ist eine von zwei Geschäftsführern bei der Business Academy Ruhr, die das Unternehmen aus eigener Kraft aufgebaut haben. Neun Dozenten arbeiten dort als freie Mitarbeiter. Alle Schulungen werden mit einem IHK-Zertifikat abgeschlossen. „Wir bringen die guten alten Journalisten technisch auf den neuesten Stand“, sagt Ihnenfeldt.“ Stattdessen ist es ein Abschnitt der „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ (Artikel „Bloggerin macht einen Scherz: Hausdurchsuchung mit acht Mann!“ vom 18.4.2013 13:31 Uhr) über sie.
Der Text ist so populistisch, dass ich ihn hier gar nicht verlinken möchte. Er geht darauf ein, wie hier das Geld von „uns Steuerzahlern“ für acht (mit Ausrufezeichen versehen) Polizisten verschwendet wird und beschwört den Polizeistaat herauf. Dass er wirkt, zeigt ein Blick auf die Kommentare wie etwa dieser hier: „Vor 1945 hießen die Anschwärzer Blockwarte, in der DDR IM und wie nennt man heute solche Leute, es gibt jede Menge davon.“
Die Betroffene bezeichnet den Beitrag hingegen als „sehr engagiert“ und feiert ihn als ein „Hoch auf die freie Presse“. Ich würde sagen er könnte neben dem Vorwurf des Populismus und schlechter Recherche auch noch den der ungekennzeichneten Werbung erfüllen. Ob das juristisch der Fall wäre, kann ich allerdings nicht wirklich beurteilen.
Es mag sein, dass hier unsere Justiz nicht im besten Licht dasteht. In mindestens genau so schlechtem Licht stehen aber all jene Social-Media-Multiplikatoren und Journalisten da, die sich hier haben bereitwillig vor Eva Ihnenfeldts Karren haben spannen lassen.
Sie hat Recht, wenn sie in ihrem Titel schreibt: Die “Dr. h.c. Eva Ihnenfeldt Affaire” zeigt, wie mächtig das Internet ist. Es zeigt aber auch, dass im Internet vieles unüberlegt verbreitet wird und so ein Shitstorm künstlich erzeugt wird, der in Wirklichkeit gar keiner ist.
Mir ist bewusst, dass ich mit meinem Artikel auch Teil des Karrens bin. Denn auch dieser setzt Links und bauscht das ganze Thema weiter auf. Aber diese Sichtweise der Dinge musste ich einfach loswerden.
Was ich Eva Ihnenfeldt rate: Ein paar mal tief durchatmen, all die unliebsamen Gefühle fühlen, die mit der Aktion hochgekommen sind und dann ruhig und besonnen rechtliche reagieren. In dieser Form liefert sie anderen und den Mitarbeitern des Justizapperats nur noch mehr Anlass gegen sie bzw. die Artikel vorzugehen. Wenn ihr mich fragt ist das keine gekonnte Selbstinzszenierung - ganz im Gegenteil.
Geschrieben von Jan Theofel am 19.04.2013 um 8:52 Uhr (Permalink)
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