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Warnung: Warum Google Apps for Work unkündbar ist

Davon träumen Anbieter und Kunden gleichermaßen: Einem unkündbaren Dienstleistungsvertrag. Bei den Anbietern sind es eher feuchte Träume, bei den Kunden Albträume. Genau einen solchen Service hat Google geschaffen: Der Dienst Google Apps for Workist faktisch unkündbar, wenn man den Dienst nicht sehr restriktiv verwendet. Aber genau das hat keinen Sinn.

Und so stehe ich und viele andere vor der Wahl: Entweder man verliert alles, was man sich mit Google-Diensten jemals aufgebaut hat (bezahlte Apps aus dem Store, YouTube, Google+, Analytics, Adwords-Kampagnen sowie alle Drittanbieter, bei denen man sich mit seinem Google-Account identifiziert) oder aber man bezahlt für den Rest seines digitalen Lebens eine monatliche Gebühr an Google. Beides sind keine ernsthaften Alternativen. Unglaublich? Ja, aber leider wahr. Und das geht so:

Wer Google Apps for Work nutzen möchte, bekommt von Google einige Dienste (Mail, Kalender, Adressbücher und Drive) als Business-Version. Damit einher geht vor allem die Möglichkeit diese mit einer eigenen Domain zu nutzen (bei mir also jan@theofel.de statt jantheofel@gmail.com) und ein bessere Servicelevel. Außerdem gibt es im Webmailinterface keine Werbung mehr was auch ganz nett ist. Soweit so gut.

Problematisch dabei ist, dass man auch alle anderen Google Dienste mit dem Account nutzen kann. Da wären also zum Beispiel YouTube, Google+, die Appkäufe im Store, Adwords, Analytics, der sinnvolle Login über ein zentrales Google-Konto bei Diensten Dritter… (Bei mir betrifft das beispielsweise mein geliebtes Ingress-Spiel.)
Da es unendlich nervig ist, immer mit zwei Accounts zu hantieren ist es naheliegend, all diese Dienste mit einem Account zu nutzen. Warum auch nicht?

Will man nun aber den bezahlten Dienst kündigen, so verliert man sein ganzes Konto. Komplett. Inklusive aller frei verfügbaren Dienste und deren Daten. Alle Follower bei Google+, all die bezahlten Apps im Store, all die liebevoll erstellten Google+-Seiten und Gruppen werden gelöscht. Gnadenlos.

„Moment, es gibt doch Migrationsfunktionen!“ mag sich da einer denken. Ja die gibt es. Nein, sie lösen das Problem nicht. Ein paar Beispiele gefällig?

Logins bei Drittanbietern sind nur weiter nutzbar wenn der Anbieter dort einen Wechsel auf eine andere Authentifizierung vorsieht. Das führt die Idee sich mit einem Passwort bei verschiedenen Diensten anmelden zu können aber ad absurdum. (Bei Ingress ist das beispielsweise nicht vorgesehen.)

Bei Google+ darf man sich gnädiger Weise exportieren wem man folgt, den Rest gibt es als Export statischer HTML-Seiten. Seiten und Gruppen kann man auf einen neuen Account übertragen. Nur was ist der noch wert? Alle Follower sind futsch, alle jemals geschriebenen Beiträge, alle Kommentare etc. ebenso. Man startet mit einem neuen Account mit nichts. Er ist wertlos.

Bei YouTube gibt es einen Export der ursprünglich hochgeladenen Videodateien. Das war es dann aber auch. Man kann sie zwar neu hochladen, aber alle alten Verweise und Embeddings der Videos werden ungültig. Auf den eigenen Seiten kann man das teilweise noch anpassen. Aber bei vielen Verweisen, zum Beispiel von Twitter, und bei der Anpassung der Verweise und Embeddings Dritter ist Schluss. All das verweist in Zukunft ins Leere. Auch die View-Zahlen und alle Kommentare gehen verloren. Was bedeutet, das ehemals gut gesehene Videos in der YouTube-Suche nicht mehr vorne stehen. Die Uploads in einen neuen Account sind zwar machbar aber dieser ist wie bei Google+ wertlos.

Noch perfider wird es bei Käufen im App-Store. Hier gibt es keine Migrationsfunktion – zumindest keine, die ich finden konnte. Sprich: Alles was man gekauft hat, ist verloren. Man ist herzlich eingeladen alles neu zu bezahlen.

Weder von dem alten Motto „don’t be evil“ (Google) noch dem neuen „Do the Right Thing“ (Alpha) wird hier auch nur ansatzweise entsprochen. Viel mehr dürften einem hier Worte wie Abofalle oder sogar Nötigung in den Sinn kommen, wenn man wie ich vor diese Wahl gestellt wird.

Das ich mit dem Problem nicht alleine bin, höre ich in den letzten Tagen fast jedes Mal, wenn ich von dieser unglaublichen Dreistigkeit berichte. Fast jedes Mal bekomme ich als Reaktion, dass man das eben in einem Podcast oder von jemand persönlich gehört oder online gelesen habe. (Leider finde ich dazu keine passenden Links. Gerne in den Kommentaren ergänzen.)

Bleibt die Frage, was der Google-Support dazu sagt. Nun mein Ansprechpartner hatte zunächst keine Antwort und hat selbst erst einmal recherchieren müssen. (So viel zu all jenen, die mir als Antwort geben, dass ich ja selbst schuld sei, dass nicht vorher geprüft zu haben. Es ist noch nicht einmal dem hauseigenen Support bekannt! Wie soll ich es dann bitte wissen?) Später hat er mir schriftlich bestätigt, dass es keine Lösung gibt und telefonisch sein Unverständnis über diesen Umstand mitgeteilt. Dies sei für ihn nicht nachvollziehbar. Mein Vorschlag, dass man mir doch dann ab sofort die unnötigen Monatsgebühren einfach gutschreiben möge wird abgelehnt mit dem Hinweis, dass ich die Dienste ja dennoch nutzen könne.

Fazit:
Wenn du Google Apps for Work verwendest und nicht von Anfang an strikt zwei Konten für den kostenpflichtigen und kostenfreien Dienst genutzt hast, sitzt du in der Falle. Davon ist bei den meisten Nutzern auszugehen, da zwei Accounts keinen Spaß machen. Eine Beschwerde beim Support wäre wünschenswert, damit die endlich aufwachen.
Solltest du erwägen Google Apps for Domain zu nutzen, sei dir bewusst, dass du weiter zwei Accounts haben wirst und die getrennte Arbeit ein immerwährender Schmerz bei deiner Arbeit sein wird. Es ist unelegant, eigentlich unnötig und macht den kostenpflichtigen Dienst relativ kompliziert in der Anwendung. Also nutze lieber einen anderen Service!

PS:
Ich nutze übrigens seit einiger Zeit Office 365 und bin damit sehr zufrieden. Und siehe da: Hier wird man gezwungen zwei Konten zu nutzen, eine Vermischung ist weder möglich noch vorgesehen. Auch kann ich, da die Dienste wirklich getrennt sind, in beiden Welten zeitgleich online angemeldet sein, ohne dass es Probleme gibt. Wenn man will, geht das also.

8 Kommentare

  1. ZweiPi

    Gnihihi
    Welch Einsicht, dass mit Kündigung des Accounts auch tatsächlich alle Leistungen weg sind.
    Klarer Fall von vorher nicht überlegt.

  2. Hallo Jan, ich hatte Deinen Kommentar dazu vor ein paar Tagen (ich glaube auf Twitter) gelesen. Die Situation ist bei mir ähnlich. Auch aus Datenschutzgründen bereite ich meinen Umstieg vor.

    Bei den Google+Seiten (inkl. der Standortseiten) habe ich die Inhaberschaft übertragen. Den Google+-Account werde ich wohl verlieren, aber da ich den nicht soo intensiv nutze (und ich da eher genervt von Community- und Eventeinladungen bin), nehme ich das mal in Kauf. Mit Videos habe ich glücklicherweise nicht gearbeitet.

    Google Analytics schaue ich mir noch an, da kann man (nach meiner Erinnerung) zwar Rechte vergeben, aber Accounts nicht übertragen. Mal sehen.

    Der größte Aufwand wird für mich persönlich wohl der Umstieg des Smartphones inkl. den Apps auf den neuen Account sein 🙁

    Auch ich nutze Office 365. Die Trennung fand ich damals beim Einstieg blöd, aber in der Zwischenzeit schätze ich das ebenfalls sehr!

  3. @ZweiPi: Gnihihihi. Klarer Fall von Artikel nicht gelesen.
    Wenn das selbst die Google-Mitarbeiter als Problem sehen und davon nichts wissen, wie soll ich das dann tun?

  4. @Frank: Da hast du Glück. Ich werde soweit möglich alle Dienste konsequent löschen. Nur bei YouTube und Google+ tut mir das beruflich sehr weh, bei Ingress persönlich. Auch beim Smartphone überlege ich mir ernsthaft, ob es noch Google (=Android) sein muss… Wenn irgend möglich wird es bei mir auf einen Account zum Ingress-Spielen rauslaufen und das war es dann auch.

  5. Zunächst: Gute Warnung und viele Dinge mit drin die man berücksichtigen kann und sollte.

    Aber. 😉 Fast alles, was nicht persönliche Accounts sind, speziell Dinge mit Administration (inkl. Analytics, Seiten, Groups usw) haben Möglichkeiten einen zweiten Admin hinzuzufügen der dann aus einem nicht Google-apps-Login kommt.

    Andere Dienste muss man dann leider Stück für Stück durchgehen und sicherstellen, das man ein Login neben dem Google Login hat (Passwortmanager usw).

    Ich habe für 2 persönliche Projekte noch Google Apps für Domains for free (die kleine Variante) und kann sagen, dass ich dort nie Probleme hatte, das sauber zu trennen.

    Käufe von Apps und Diensten führe ich immer nur über saubere Mailzuordnung aus – persönliche Dinge laufen auf dem persönlichen Account.

    Selbst wenn Login von Google Apps möglich ist /bzw ich das für Gmail nutze, achte ich immer drauf gleich einen zweiten Zugang einzurichten. So ‚just in case‘ und so. 😉

    Trotzdem noch einmal: Gute Hinweise und danke.

  6. @ZweiPi: Schadenfreude ist nun das, was am allerwenigsten hilft. Ich bin dankbar für solche Artikel, weil sie anderen helfen, nicht das selbe Lehrgeld zahlen zu müssen!

    @Jan: Redest du von „Google Apps for Work“? Unter „Google apps for Domain“ finde ich nicht das passende…

  7. @Nicole: Dumm nur, dass YouTube und Google+ nicht zu diesen Diensten zählen, die man transferieren kann. 🙁 Und da liegt gerade bei mir die höchste Nutzung und bei YouTube auch der höchste Nutzen. Google+ schaffe ich einfach ab, das braucht eh kein Mensch. Und bevor ich Analytics auf einen anderen Account übertrage, übertrage ich es doch gleich lieber auf Piwik. Dann muss ich mir schon keine Gedanken mehr um Abhängigkeiten von Google zu machen.

    Die „free“ Version gibt es übrigens nicht mehr. Die hatte ich zu Beginn auch mal im Einsatz.

    @Rene: Korrekt. Das korrigiere ich gleich mal. Früher hieß das glaube ich mal anders.

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